Die Fortschritte der Genetik entfachen derzeit einen Kampf der Paradigmen, in dem sich Natur- und Kulturwissenschaften gegenüberstehen. Im Eifer der Auseinandersetzung gerät ihre geschichtliche Dimension aus dem Blick, denn das biologisch-medizinische und das historische Paradigma unterhalten schon im 19. Jahrhundert ein spannungsreiches Verhältnis: Sie entwerfen gegensätzliche Menschenbilder, ein anthropologisch-statisches und ein historisch-dynamisches. Die Literatur ist der privilegierte Ort, an dem diese Menschenbilder ausbuchstabiert werden. Die vorliegende Studie vermißt das Konfliktfeld in sechs Romanen: ,Salammbô' und ,L'Éducation sentimentale' von Gustave Flaubert, ,Nana' und ,Germinal' von Émile Zola, ,Effi Briest' und ,Irrungen, Wirrungen' von Theodor Fontane werden einer genauen Analyse unterzogen. Mit Werken Jacob Burckhardts und Friedrich Nietzsches finden zudem Positionen aus Historie und Philosophie Berücksichtigung. Zentral ist stets das Verhältnis von Werk und Wissen: Wie finden wissenschaftliche Beobachtungen und Modelle Eingang in die Literatur? Die Relektüre alter und die Erschließung neuer Quellen zeigt es. Nicht zuletzt vergleicht die Arbeit Eigenheiten der deutschen und der französischen Literatur der Zeit.
Über den Autor Niklas Bender
Niklas Bender, Jahrgang 1976, hat an der FU Berlin und der Université Paris 8 promoviert und sich 2013 in Tübingen habilitiert. Der Romanist und Komparatist forscht zu Literatur und Wissen sowie zum Komischen. Seit 2014 vertritt er Lehrstühle; er ist Literaturkritiker der F.A.Z.